Beispiele:
1* Im März 2007 stellte die IBA eine größere Geldsumme für Kunst- und Kultur-Projekte zur Verfügung. Das Kunstbüro Wilhelmsburg bekam neben anderen Antragstellern den Zuschlag. Unser Projekt „Wilhelmsburger Busgalerie“ wurde mit einer Summe bezuschusst, mit der u.a. alle Materialkosten abgedeckt waren. Wir hatten erfolgreich an einer Konkurrenz teilgenommen. Nach welchen Kriterien die Zuschläge vergeben wurden, erfuhren wir nicht.
2* Ein weiterer Wettbewerb, an dem wir teilnahmen, war 2008 eine Ausschreibung bzgl. der leer stehenden Veringhöfe. Insg. 4000 qm sollten umgebaut werden zu Ateliers, Ausstellungs-Räumen u.ä. Die IBA-Dame, die meinen Antrag entgegennahm, ließ mit einer flapsigen Bemerkung durchblicken, daß wir diesmal wohl leer ausgehen würden. Tatsächlich: Zwei Wochen später bekamen wir die Ablehnung. Sogar eine Begründung war beigefügt: Unser Antrag sei „nicht ganzheitlich genug“. Erst ärgerte ich mich. Später war ich froh über die Ablehnung. Bei einer Zusage hätte ich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um finanziell und personell die Voraussetzungen für die neuen Räume zu schaffen. Die IBA hatte so viele Bewerbungen bekommen, dass sie auf das Kunstbüro nicht angewiesen war. Wir hatten an einer Konkurrenz teilgenommen – und zum Glück verloren. Für uns wären die anfallenden Mietkosten wie ein Klotz am Bein geworden: 7,50 € Miete plus Heizkosten pro qm. Bezuschusst mit Stipendium, Anschubfinanzierung o.ä. hätten wir die Gelder höchstens ein Jahr tragen können. Spätestens dann hätten wir ein Riesen-Problem gehabt.
3a* Neben Beispielen für offene Konkurrenz erlebte ich Situationen, in denen es um Wett-bewerb in einer verschleierten bzw. subtilen Weise ging. Im Herbst 2007 veranstaltete die IBA mit der AIW (Arbeitslosen-Initiative-Wilhelmsburg) einen Workshop, bei dem es um die Situation von Arbeitslosen und um „kreative“ Möglichkeiten ging, die Lage der Betroffenen zu verbessern. Ich erfuhr von dem Workshop, war jedoch nicht eingeladen. Es wurde ein großes Geheimnis daraus gemacht. Erst später erfuhr ich überhaupt, wo er stattfand. Die Verantwortlichen der AIW, in deren Verein ich Mitglied war, hielten es nicht für nötig, mich und den Kunstbüro-Verein einzubeziehen. Wir wurden, obwohl meine künstlerischen wie organisatorischen Aktivitäten bekannt waren, außen vor gelassen. Die AIW sahen in mir und dem Kunstbüro einen lästigen Konkurrenten, den man/Frau nicht dabei haben wollte.
3b* Mit der AIW hatte das Kunstbüro ab Frühjahr 2009 wieder zu tun. Von der IBA ging erneut eine Initiative aus, um die Situation von Arbeitslosen in diesem Stadtteil zu verbessern. Und wieder ging es auch um „Kreativität“. Aus einem Workshop, an dem u.a. ich teilnahm, entwickelte sich ein wöchentliches Treffen. Nun kam auch Geld ins Spiel. Eine Wanderausstellung wurde organisiert. Die dafür veranschlagten Materialkosten wurden von drei Institutionen getragen. Das Geld floß auf das Kunstbüro-Konto. Wir waren und sind ein eingetragener, als gemeinnützig anerkannter Verein. Wir hätten auch weiter den neuen Zusammenschluß von Arbeitslosen, Künstlern u.a. unterstützt, der sich nun den Namen KunstWerk- Wilhelmsburg gab. Obschon keine Notwendigkeit bestand, gründeten jedoch einige KWW-Mitglieder einen eigenen Verein. Ich wäre diesem sogar beigetreten – wenn ich nicht massiv unter Druck gesetzt worden wäre. Die IBA, so stellte sich nun immer mehr heraus, hatte ein Interesse, einen Verein zu finanzieren, der ihre Ideen propagierte und den sie kontrollieren konnte. Zwei KWW-Aktive engagierten sich gleichzeitig im IBA-Bürgerbeteiligungsgremiums. Einer von ihnen, Kassenwart des KWW wie auch der AIW, hatte zu den Leuten gehört, die 2007 an dem IBA-Workshop (3a*) teilnahmen, zu dem ich nicht zugelassen war. Ich war in gewisser Weise vorgewarnt – auch wenn die Situation durch die zeitweilige Beteiligung anderer Leute eine andere war als 2007. --- Ich erwähne diese Erlebnisse, um aufzuzeigen, wie von außen eine Konkurrenz-Situation aufgebaut wird und wie die Beteiligten instrumentalisiert werden. Hier wurde ein Verein in die Welt gesetzt, nämlich das „KunstWerk Wilhelmsburg“, als Konkurrenz zum Kunstbüro. Es zeigte sich jedoch, das KWW nicht konkurrenzfähig ist, sowohl von den künstlerischen als auch den organisatorischen Fähigkeiten her. Seit mehr als 2 Jahren gehen vom KWW keinerlei nennenswerte Aktivitäten mehr aus. Es gibt den Verein immer noch, aber er besteht nur noch auf dem Papier.
Ich stellte zu Beginn meines Aufsatzes die Frage nach der Konkurrenzfähigkeit. Ich kann keine endgültige Antwort darauf geben. Es ist jedoch seltsam und bemerkenswert, was ich im Laufe von mehr als 20 Jahren in Wilhelmsburg erlebte. Faktisch besteht m.E. eine permanente Konkurrenz-Situation. Diese wird jedoch geleugnet. Es wird so getan, als seien „wir“ eine große, wenn auch etwas verstreute „family“ bzw. „community“. Dabei gibt es Gemeinsamkeiten bzw. Nähe eigentlich immer nur dann, wenn irgendwelche Geld-Töpfe aufgetan werden. Dann kommen Leute zusammen, die normalerweise kein Wort miteinander sprechen. In der übrigen Zeit erlebe ich totale Gleichgültigkeit bzw. Versuche, Konkurrenten, die angeblich keine sind, auszubooten bzw. auszugrenzen.
4* Ich bin grundsätzlich FÜR Konkurrenz. Wettbewerb ist m.E. für mich wie auch den Verein notwendig, um herauszufinden, wo ich -wir- mit unseren Fähigkeiten tatsächlich stehen. Es müssten jedoch Grundregeln gefunden und eingehalten werden, durch welche die Wettbewerb-Situation transparent, d.h. als solche erkennbar wäre. Davon kann jedoch keine Rede sein. Ich spreche hier jetzt nicht nur von meinen Erfahrungen mit der AIW und der IBA. Immerhin existiert der „Förderkreis Wilhelmburger Kunstbüro e.V.“ seit 1989. Für viele sind wir nur ein Gerücht. Wir werden übergangen bzw. nicht ernst genommen.
Auch dies ist ein Kriterium, das zu einer Konkurrenz-Situation gehört: Als Wettbewerber ernst genommen und respektiert zu werden.
(Dieser Text soll eine Anregung sein und ist nicht zuende formuliert. Gerade was den Bereich der „Kreativität“ betrifft, kann ich mir andere Positionen und Gegen- Argumente vorstellen. Ich gehe nicht von Theorien, sondern von konkreten Erfahrungen aus. Dogmatiker möchte ich nicht sein.)
20.9.2012 Raimund Samson